Ferroelektrizität, Ferromagnetismus und Ferroelastizität sind ferroische Eigenschaften, die einerseits enormes Interesse in der Forschung ausgelöst haben und andererseits aber auch die Grundlage für viele Anwendungen sind. Ferroische Oxide sind bedeutende funktionelle Materialien für eine Reihe von keramischen Bauelementen, wie zum Beispiel Magnetkernen, Kondensatoren und piezoelektrischen Komponenten. Mit der Einführung der Mehrlagentechnik bei keramischen Bauelementen mit immer dünneren Keramikschichten verlagerten sich die Schwerpunkte der Forschungs- und Entwicklungsarbeit auf die Verbesserung der Stabilität der Materialien im elektrischen Feld, auf die Beherrschung der thermischen Belastung im Betrieb und auf Verfahren zur Gemeinsamsinterung mit unedlen Metallen, um teure Edelmetalle als Innenelektroden zu ersetzen. Zukünftige Anwendungen erfordern von den Materialwissenschaften immer komplexere Konzepte und immer tieferes Verständnis der grundlegenden Mechanismen, um die Anforderungen zu erfüllen. Mit diesem Antrag wollen wir ein Labor für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der ferroischen Oxide aufbauen. Die Materialsynthese wird dabei durch die Untersuchung der Defektchemie unterstützt. Damit wollen wir die Grundlagen für zukünftige Anwendungen elektrokeramischer Bauelemente schaffen. Den Schwerpunkt wird die Suche nach neuen Konzepten für die strukturelle Modifizierung von ferroischen Materialien bilden, wobei nicht nur die Optimierung ihrer primären Eigenschaften, sondern auch die Kompatibilität der Materialien in einem Metall/Keramik-Vielschichtsystem und ihr Langzeitverhalten im elektrischen Feld berücksichtigt werden. Das umfasst die Materialsynthese unter Anwendung neuer Ansätze für die Kopplung ferroischer Eigenschaften, die Untersuchung der Defektchemie und der Defektkinetik mit ihren Auswirkungen auf die Funktionalität der Materialien und das Verständnis sowie die Verbesserung der Stabilität dieser Materialien unter elektrischer und thermischer Last. Die EPCOS OHG in Deutschlandsberg, Österreich, ist der größte Hersteller elektrokeramischer Bauelemente in Europa und setzt alle oben genannten Klassen von ferroischen Oxiden in erfolgreiche Produkte um, wie zum Beispiel in Vielschicht-Kondensatoren, Vielschicht-Aktoren und Ferrit-Bauelemente. Das Unternehmen betreibt unter anderem die weltweit größte Fertigung für piezoelektrische Vielschicht-Aktoren, die in modernen Kraftstoff-Einspritzsystemen Anwendung finden, und beweist damit das hohe Niveau der eigenen Entwicklung, sowie der Prozess- und Fertigungstechnik. Um die Ziele dieses Antrags zu erreichen, wollen wir die Expertise zweier Universitätsinstitute und des oben genannten Industriepartners verknüpfen und können dabei auf exzellente Einrichtungen, wie ein gut ausgestattetes Keramiklabor, moderne Analysenmethoden (TOF-SIMS, Mikrokontakt-Impedanzanalyse) und Technikumsanlagen zurückgreifen. Die Materialsynthese mit der grundlegenden strukturellen und elektrischen Charakterisierung wird am Institut für Chemische Technologie anorganischer Stoffe der Technischen Universität Graz durchgeführt. Die Analysen zur Verteilung von Spurenelementen (Dotierstoffen und Verunreinigungen) sowie die Untersuchungen zur Defektchemie, einschließlich der Beschreibung und Modellierung der Degradationsmechanismen, finden am Institut für Chemische Technologien und Analytik der Technischen Universität Wien statt. Die EPCOS OHG wird die Herstellung von Probekörpern mit Vielschicht-Aufbau und die Durchführung von Langzeit-Tests (z.B. beschleunigte Lebensdauerprüfungen) übernehmen.