Erzeugung teilchenartiger Streuzustände im dissipativen Wellentransport
In einer Arbeit des Projektleiters wurde vor kurzem eine Methode zur Erzeugung von teilchenartigen Wellen im Transport durch komplexe Systeme vorgestellt [PRL 106, 120602 (2011)]. Diese strahlförmigen Wellen besitzen eine ganze Reihe von interessanten Eigenschaften, wie z.B. stark kollimierte Wellenfunktionen und deterministische Transmissionswerte. Insbesondere dadurch dass man diese Wellenzustände allein auf Basis der Streumatrix eines Systems generieren kann, lässt dieses neue Konzept auch im Experiment auf interessante Anwendungen hoffen (sh. dazu z.B. eine Besprechung der theoretischen Arbeit unter http://focus.aps.org/story/v27/st13 und in der Juni-Ausgabe von „La recherche“ im Jahr 2011). So können diese speziellen Wellen genau dann nützlich sein, wenn ein Signal von einem Punkt zum anderen ohne Informationsverlust übertragen werden soll. Solche Eigenschaften sind wichtig zur Leistungseinsparung und zur Abhörsicherheit bei der Signaltransmission, sowie für die Fokussierung von Wellen auf kleine Punktgrößen.
In Anbetracht dieser breiten Anwendungsmöglichkeiten wenden wir uns in unserem Projekt der konkreten Realisierung obiger Zustände zu. Dazu wollen wir einen Versuchsaufbau mit Mikrowellen verwenden, für den unser französischer Projektpartner (Ulrich KUHL, Nizza) über langjährige Erfahrung verfügt. Mikrowellen sind deswegen zur Untersuchung von offenen Streusystemen ideal geeignet, weil sich damit die Streumatrix eines Systems inklusive aller Phasen gut bestimmen lässt [PRB 83, 134203 (2011)]. Noch dazu lässt sich in zweidimensionalen Mikrowellenkavitäten auch der Streuzustand selbst mit Hilfe einer zusätzlichen Antenne gut ausmessen. Um diesen gewünschten Zustand im Eingang des Systems zu erzeugen, werden wir eine ganze Anordnung von mehreren Antennen verwenden deren Phasen über einen Phasenschieber individuell gesteuert werden können. Werden nun diese Phasen nach der theoretischen Vorhersage eingestellt, sollte sich ein Streuzustand erzeugen lassen dessen Wellenfunktion entlang der Trajektorie eines klassischen Teilchens konzentriert ist. Mit einer Messantenne werden wir die Form des erzeugten Wellenzustands explizit nachmessen.
Um dies zu bewerkstelligen ist eine fundierte theoretische Projektkomponente erforderlich, die durch den österreichischen Projektleiter (Stefan ROTTER, Wien) übernommen wird. Insbesondere stehen hier Fragen im Vordergrund, die sich aus den experimentellen Gegebenheiten entwickeln. So müssen die theoretischen Vorhersagen für ein unitäres Streusystem ergänzt werden, um auch Effekte wie Dissipation, Dephasierung und eine unvollständige Streumatrix entsprechend berücksichtigen zu können. Nachdem genau diese Imperfektionen in jeder experimentellen Realisierung erwartet werden können sind diese Erweiterungen für eine Umsetzung des Projekts essentiell. Im zweiten Teil des Projekts werden wir die Stabilität der erzeugten Wellenzustände genauer untersuchen. Wir werden uns explizit zeitabhängigen Wellenpaketen und Systemen mit mehr als zwei externen Anschlüssen widmen. In enger Zusammenarbeit mit dem Experiment werden wir auch neue Konzepte studieren, die es erlauben, Wellen mit möglichst starker Absorption zu erzeugen [PRL 107, 163901 (2011)]. Im letzten Teil des Projekts werden wir Querbeziehungen zwischen unseren teilchenartigen Streuzuständen und Gaußschen bzw. Besselschen Strahlen untersuchen, die insbesondere in der Optik zu einer Vielzahl von Anwendungen geführt haben.