In Wien wurden rund 35.000 Gebäude, das entspricht etwa einem Viertel der Hauptwohnsitzwohnungen, zwischen 1961-1980 errichtet. Soziale Wohnbauten dieser Zeit sind ein wesentliches Rückgrat des Bestands an Mietwohnungen in der Stadt. Österreichweit gibt es ca. dreimal soviele Bauten aus dieser Periode. Ein typisches Bauelement dieses Gebäudetypus stellen vorgehängte Fassadenelemente aus Waschbetonplatten oder Metallblechen dar. Die in die Jahre gekommene Bauten bedürfen dringend einer umfassenden, thermischen Sanierung, die zugleich effizient, leistbar, technisch machbar und skalierbar sein muss und nach Möglichkeit ohne Eingriffe in die bewohnten Mieteinheiten erfolgen soll. Nur so ist eine klimaschützende Erhöhung der Sanierungsraten erreichbar.
Zurzeit erfolgen Fassadensanierungen üblicherweise mittels Wärmedämmungsverbundsystemen (WDVS) unter Verwendung von EPS Dämmung. Die bestehenden Fassadenelemente aus Waschbeton oder Metallblechen werden demontiert und gemeinsam mit den Fenstern entsorgt, was Umweltbelastung durch Transporte und Deponierung sowie zum Ressourcenverlust dieser wertvollen und für die Weiternutzung geeigneten Baumaterialen führt.
Das Sondierungsprojekt „Favorite Facade ReUse“ hat sich zum Ziel gesetzt, eine innovative, technologische Lösung zur Sanierung und thermischen Ertüchtigung von vorgehängten Fassaden zu entwickeln, welche die Weiternutzung der bestehenden Fassadenelemente ermöglicht und zugleich die Fassadenkonstruktion in neuartiger Weise zur Beheizung, Begrünung und ev. als Gestaltungsfläche nutzt.
Fünf Partnerorganisationen werden ihre Expertise interdisziplinär in die Sondierung einbringen, darunter die Architektinnen Jutta Wörtl Gössler (Projektleitung) und Uli Machold, TU Wien / Institut für Werkstofftechnologie, IBO Institut für Baubiologie und -ökologie sowie das Innovationslabor RENOWAVE.AT. Für die nachfolgende Demonstration der Sondierungsergebnisse konnte die GESIBA als Projektpartnerin gewonnen werden, die über 40 baugleiche Objekte dieses Typus mit mehr als 5.000 Wohneinheiten verfügt und auf Basis der Sondierungsergebnisse eines dieser Objekte als Demonstration Case mittels der neuentwickelten Fassadensanierungsstrategie sanieren wird.
Aufbauend auf dem Wissenstand aus vereinzelten Referenz-Projekten hat sich Favorite Facade ReUse zum Ziel gesetzt, erstmalig ein integriertes Gesamtkonzept für die Fassadensanierung zu entwickeln. In einer neuartigen Sanierungsstrategie werden Einzelmaßnahmen kombiniert und optimiert (Re-Use von Fassadenelementen, nachhaltige Dämmung, integrierte Flächenheizung, Ertüchtigung der Fenster sowie Begrünungsmaßnahmen) und in Analysen und Simulationen untersucht, um durch bestmögliche Ressourceneinsparung und energetische Sanierung eine hohe Klimaschutzwirkung zu erzielen. Gegenüber herkömmlichen Fassadensanierungen werden CO2 Einsparungen in einer Größenordnung von 40 % erwartet.
Angesichts des großen Wohnbaubestands dieses Typus besteht ein hohes Potenzial für Klimaschutz. Die Zusammenarbeit mit GESIBA sowie ein intensiver Wissenstransfer werden eine rasche Replikation unterstützen. Durch den Re-Use der originalen Fassadenelemente wird die Authentizität der Bestandsgebäude bewahrt, die handwerkliche Qualität der Fassadengestaltung wertgeschätzt und die Attraktivität der renovierten Bestandsgebäude und -quartiere als Lebensraum in der klimaneutralen Stadt der Zukunft erhöht.