
Situation
Die Datenlage in puncto Materialzusammensetzung des Gebäudebestands ist äußerst begrenzt: Es wurde mit einer Vielzahl an Baustoffen in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Arten des Aufbaus gearbeitet, weiters wurden über die Jahre bauliche Veränderungen durchgeführt, welche sich wiederum in einem unterschiedlichen Materialmix äußern (z.B. Fassadendämmung, nachträglich eingebaute Drainage, Dachsanierung). Dies ist insofern ein Problem, als sich genau diese Bauwerke heutzutage als Kandidaten für Abriss und Neubau anbieten; dabei entstehen nicht nur 70% des jährlichen österreichischen Abfallaufkommens ( BMK2020 ), der Bausektor per se ist auch für 60% der neu extrahierten Rohstoffe und 40% der energiebezogenen CO Emissionen verantwortlich.
Problem
Um ein effektives Recycling und Re-Use zu gewährleisten und damit einen effektiven Beitrag zur Klimastrategie zu gewährleisten, ist vorab eine genaue Kenntnis der Materialzusammensetzung erforderlich. Bis dato werden dazu Sondierungen und Bauaufnahmen individuell durch Bauträger durchgeführt, ohne das es dabei zu einer Plausibilitätsanalyse bzw. einem vergleichenden „Reality Check“ mit anderen Bauträgern kommt. Die Ergebnisse landen darüber hinaus im Datenkonvolut der jeweiligen beteiligten und werden nicht anderweitig verwertet, was schade ist, weil eine Weitergabe zum Einen für viele andere in derselben Situation aufschlussreich wäre, zum Anderen auch keine Datenschutzbedenken dem zuwider stünden. Zudem ist auf diese Weise eine stadtweite Hochrechnung nur eingeschränkt möglich, weil schlichtweg zu wenige Datenpunkte vorliegen.
Idee
Wir schlagen eine web-basierte Plattform vor, mit deren Hilfe sich Bauträger über Materialzusammensetzungen in vergleichbaren Objekten informieren und ihre eigenen Sonderungen plausibilisieren können. Die Idee funktioniert wie eine Datendrehscheibe, in welcher unterschiedlichste Teilnehmer in einem jeweils eigenen (geschützten) Bereich Sondierungen und Bauaufnahmen eingeben und Feedback erhalten. Die Plattform anonymisiert diese Daten und gibt sie an andere Teilnehmer weiter. Weiters wird an zentraler Stelle eine Vorhersage von Materialzusammensetzung ähnlicher Objekte trainiert, mit deren Hilfe die Teilnehmer eine Einschätzung für noch nicht sondierte Objekte bekommen können. Durch Aggregation dieser Daten kann auf das gesamte Materialdepot der Stadt einer bestimmten Objektkategorie rückgeschlossen werden – z.B. für die Verwendung in einer Materialstatistik. Des Weiteren wird durch ein eigenes Modul, welches Objekte untereinander vergleicht, auch eine Plausibilisierung der selber eingegebenen Daten vorgenommen (Feedback). Der wahre Clue der Plattform besteht aber darin, dass sie über die Zeit hinweg durch fortwährende Eingabe der Teilnehmenden wächst und damit genauer wird - was wiederum zu einem erhöhten Mehrwert für jeden Teilnehmer führt. Eine neutrale Schnittstelle für Marktplätze im Thema Re-Use/Recycling erhöht diesen Mehrwert noch weiter. Ebenso wird im Projekt auf die Integration mit kommunalen Prozessen (z.B. Einreichung, Baubewilligung) und einen wiederholbaren Workflow für die Verwendung auch nach Projektende Wert gelegt.
Auswirkungen/Impact
Unsere offen entwickelte Lösung richtet sich neben Bauträgern auch an die öffentliche Verwaltung, Normungsinstitutionen, Forschungseinrichtungen und Betriebe der Kreislaufwirtschaft (Thema Re-Use und Recycling). Schlussendlich soll sie z.B. durch die Kammer für ArchitektInnen und ZiviltechnikerInnen oder die Stadtverwaltung (Wien IT) gehostet werden, um eine offene und gleichberechtigte Teilnahme zu erlauben. Die Vorteile für Teilnehmer und deren Institutionen sind:
- Die Möglichkeit, aufgrund der Eigenschaften einer Liegenschaft / eines Objekts rasch eine Einschätzung der Bandbreite an Materialintensitäten und -aufbauten zu sehen bzw. die eigenen Messungen mit vorhergegangenen Messungen evidenzbasiert vergleichen zu können.
- Sonderungen anhand schon vorliegender Daten einem Plausibilitätscheck unterwerfen zu können (innerhalb / außerhalb von Referenzbereich). Ebenso können verwandte Objektkategorien zu einer bestimmten Materialzusammensetzung gefunden werden.
- Hochrechnungen in puncto Materialzusammensetzung des Gebäudebestands in sich fortlaufend verbessernder Form anbieten zu können (z.B. für Immobilienentwicklung, Forschung, Materialstatistik).
Das Projekt versetzt die Partner in der Lage, die in Vorprojekten isoliert entwickelten Ansätze zusammenzuführen und erstmalig in alltagsfähiger Form als Mehrwert anzubieten.