Das Verständnis der Reaktion hochalpiner Geosysteme auf Veränderungen des Klimas ist für Wissenschaft und Gesellschaft gleichermaßen wichtig. Während einige Änderungen offensichtlich sind (Rückzug der Gletscher), ist für viele andere Veränderungen der Zusammenhang mit Klimaänderungen kaum erforscht. Um diese Lücke zu schließen, sollen die Veränderungen in alpinen Geosystemen durch die quantitative Auswertung historischer Fotos, einschließlich historischer Luftbilder, dokumentiert werden. Die Analyse wird in drei Zeitscheiben untergliedert, beginnend mit 1850, 1920 und 1980 bis heute. Das Jahr 1850 fällt mit dem Ende der Kleinen Eiszeit und den ersten verfügbaren Photographien in den Alpen zusammen.
Unser Ziel ist das Erstellen einer langen Zeitserie historischer Aufnahme, was zuvor noch nicht versucht wurde. Räumlich beschränken wir uns auf drei Alpentäler (Martelltal, Horlachtal und Kaunertal), die sich in Höhenlage, Ausrichtung und touristischer Erschließung unterscheiden. Die Quantifizierung von Veränderungen, bspw. im Aktivitätsmuster von Massenbewegungen, sind fundamentale Eingangsgrößen für die Beschreibung der geomorphologischen und hydrologischen Prozesse in den Geosystemen. Die genaue 3D-Rekonstruktion von Merkmalen im Gelände, z.B. Schnee auf Gletschern oder die Verteilung der Vegetation, sollen in enger Zusammenarbeit mit Geologen, Geomorphologen, Hydrologen, Meteorologen, Bodenkundlern und Vegetationskundlern erfolgen.
Angesichts der großen Anzahl verfügbarer und benötigter Fotos für die Rekonstruktion der Veränderungen ist eine automatische Bildorientierung notwendig. Passende Bilder werden in Archiven identifiziert und mit Metadaten (Name des Tals, Aufnahmezeitpunkt, etc.) gespeichert. Die automatische Bestimmung der Aufnahmeposition und –ausrichtung historischer Aufnahmen ist eine bislang ungelöste Aufgabe. Auch die Fotos von Luftbildmessungen, verfügbar ab ca.1950, werden einbezogen. Das führt nicht nur zur Vermessung einzelner Merkmale, sondern auch zu historischen Orthophotos und Geländemodellen. Für alle Produkte ist eine Abschätzung der Genauigkeit besonders wichtig, da die Detektion signifikanter Veränderungen von scheinbaren Veränderungen, hervorgerufen z.B. durch das Bildrauschen, abzugrenzen ist. Ein stabiler Referenzrahmen muss für die Einbettung aller Daten und ihre Gegenüberstellung geschaffen werden. Dies wird durch luftgestütztes Laserscanning gewährleistet, wobei neue Befliegungsmuster untersucht werden, die entlang der Zonen stärkster Veränderung ausgerichtet werden.
Die Sammlung und Auswertung historischer Aufnahmen soll nach der ersten, dreijährigen Projektphase weitergeführt werden. Dies führt zu einer vollständigeren und qualitativ hochwertigeren Dokumentation. Von besonderer Bedeutung sind in einer zweiten Phase aber die zukünftig erwarteten Veränderungen, die auf Basis von Klimaszenarien in die Zukunft projiziert, auf das Gelände übertragen und so in aktuellen Fotos dargestellt werden können.