Die wirtschaftlichen Verluste infolge von Grippeerkrankungen belaufen sich in den USA schätzungsweise auf über 80 Mrd. $ jährlich. Bei 15 bis 49-jährigen Frauen in Botswana und Zimbabwe liegt die Prävalenz von HIV/AIDS über 25 %. Allein diese beiden Zahlen zeigen bereits das gewaltige Ausmaß der humanitären und ökonomischen Auswirkungen von übertragbaren Erkrankungen, auch ohne die zahlreichen anderen epidemischen Krankheiten in menschlichen oder tierischen Populationen. Offensichtlich hat die Entwicklung neuer medizinischer Verfahren einen enormen Wert, doch von großer Bedeutung ist auch die Möglichkeit, den Verlauf von Epidemien vorherzusagen sowie wirksame Strategien dagegen zu entwickeln (edukative und medizinische Prävention, Überwachung, Behandlung usw.), und selbst geringfügige Verbesserungen haben hier beträchtliche Auswirkungen. Das vorliegende Projekt zielt darauf ab, die mathematischen Werkzeuge zum Modellieren und Simulieren weiterzuentwickeln und die dynamische Optimierung von Maßnahmen auf diesem Gebiet zu erleichtern. Das wichtigste besondere Kennzeichen dieses Projekts liegt darin, dass es relevante dynamische Modelle von heterogenen Populationen als Ausgangspunkt der Untersuchung verwendet. Heterogenität (in Bezug auf genetische Faktoren, Gewohnheiten, Risikoverhalten, Alter usw.) könnte eine wesentliche Rolle in der Entstehung von übertragbaren Erkrankungen spielen. Allerdings sind Modelle von Erkrankungen in heterogenen Populationen, die diese Heterogenität explizit berücksichtigen, nicht nur schwierig in der numerischen Analyse, sie erfordern vor allem auch entsprechend verteilte Daten, die für gewöhnlich entweder nicht verfügbar oder nicht verlässlich sind. Daher besteht eines der Hauptziele der vorliegenden Studie in der Entwicklung von neuen Aggregationstechniken, die die Heterogenität innerhalb von Modellen implizit berücksichtigen, welche nicht mit detaillierten verteilten Daten gespeist werden müssen und die andererseits eine einfachere analytische Struktur aufweisen. Dies gestattet eine realistischere numerische Simulation (und damit Vorhersage) des Verlaufs von Infektionserkrankungen sowie eine eingehendere qualitative Analyse. Diese Verfahren sind auch auf andere gesellschaftliche Prozesse anwendbar, denen ansteckende Phänomene zugrundeliegen, zum Beispiel „Epidemien“ von illegalen Drogen. Das zweite Hauptziel des Projekts ist es, Methoden zum Entwerfen optimaler Präventions und Therapieverfahren, die aus der optimalen Kontrolltheorie stammen, weiterzuentwickeln und zu implementieren. Dabei sind unterschiedliche „Leistungsmerkmale“ geisteswissenschaftlicher/demographischer bzw. wirtschaftswissenschaftlicher Natur beteiligt. Neu daran ist wiederum die explizite oder implizite Berücksichtigung der Heterogenität der Bevölkerung. Mit Hilfe von expliziter Modellierung von heterogenen Populationen erarbeitete Strategien der Optimalsteuerung sind in der Realität aufgrund von fehlenden Daten oder aus technischen Gründen schwer anzuwenden, während die im Rahmen des oben erwähnten ersten Hauptziels aus aggregierten Modellen entwickelten Maßnahmen weniger Daten erfordern und sich leichter implementieren lassen. Die Wirksamkeit und die qualitativen Eigenschaften der letztgenannten Steuerungsmaßnahmen werden dabei mit den Resultaten für die ersteren zu vergleichen sein. Als zusätzlichen Nutzen wird das hier beantragte Projekt die Anwendung der hier eingesetzten mächtigen mathematischen Werkzeuge, insbesondere jener aus der Theorie der Optimalsteuerungen, auf die Gebiete der Epidemiologie und der Gesundheitsökonomie anregen.