Die Querkraftbemessung von Spannbetonbrücken erfolgte zwischen 1950 und 1975 auf
 Basis eines Hauptzugspannungsnachweises im ungerissenen Zustand. Bei Einhaltung der
 zulässigen Zugspannung konnte die geforderte Querkraftbewehrung im Ermessen des
 planenden Ingenieurs frei gewählt werden. Dies führte vor allem im scharfen Wettbewerb zu
 sehr geringen Schubbewehrungsgraden. Bei einer Beurteilung der Querkrafttragfähigkeit
 dieser Tragwerke nach der österreichischen Nachrechnungsrichtlinie (Eurocode 2 und fib
 Model Code 2010) ergibt sich daher in den meisten Fällen ein deutliches rechnerisches
 Defizit. Dieses ist im Bereich der Innenstützen von Mehrfeldbrücken besonders ausgeprägt,
 da dort eine große Biegebeanspruchung auf die maßgebende Querkraft trifft und dies nach
 dem aktuellen Wissensstand einen negativen Einfluss auf die Schubtragfähigkeit ausübt.
 Das Querkrafttragverhalten von Spannbetonträgern mit geringer Schubbewehrung wurde im
 Stützbereich (M/V-Interaktion) bislang nur sehr unzureichend experimentell untersucht.
 Daher wird im Rahmen dieses Forschungsvorhabens eine umfangreiche Versuchsreihe an
 großmaßstäblichen, mehrfeldrigen Spannbetonbalken mit geringer Schubbewehrung geplant
 und durchgeführt. Auf Basis gezielter photogrammetrischer Messungen wird eine
 Quantifizierung der am Abtrag von Querkräften beteiligten Tragmechanismen in den
 maßgebenden Schubrissen in Abhängigkeit der untersuchten Einflussparameter
 vorgenommen. Dazu werden ergänzende Abscher- und Querkraftversuche zur
 Untersuchung des Querkrafttraganteils der Rissverzahnung durchgeführt. Die eigenen
 Versuchsdaten werden in weiterer Folge durch einen Erfahrungs- und Ergebnisaustausch
 mit einem themenverwandten BASt-Projekt aus Deutschland erweitert und in einer
 Datenbank zusammengefasst. Darüber hinaus werden die experimentellen Arbeiten von
 numerischen Berechnungen begleitet und in Bereichen, welche von Versuchen nicht
 abgedeckt sind, durch gezielte Parameterstudien erweitert.
 Auf Grundlage dieser Datenbasis liegt das Hauptziel dieses Vorhabens in der
 Weiterentwicklung des im Rahmen von VIF 2012 an der TU Wien hergeleiteten
 Querkraftmodells, um. dieses für mehrfeldrige Spannbetonträgern mit geringer
 Bügelbewehrung zu erweitern. Dabei ist zu klären, inwieweit sich die dort beschriebenen
 Tragmechanismen (Querkrafttragfähigkeit der Druckzone bzw. des geneigten Druckgurt) bei
 Einfeldsystemen auch im Stützbereich einstellen. Die bereits vorhandenen Querkraftmodelle
 für die unterschiedlichen Zonen, welche von der sich einstellenden Rissbildung bestimmt
 werden, werden dementsprechend modifiziert und weiterentwickelt.
 Des Weiteren wird auf Basis stochastischer Untersuchungen und unter Zugrundelegung der
 Restnutzungsdauer das deterministische Berechnungsmodell in ein Eurocode-konformes
 semiprobabilistisches Nachweismodell übergeführt. Schlussendlich wird durch einen
 Vergleich zum derzeitigen Normenstand das große Potential des weiterentwickelten
 Berechnungsansatzes im Zuge einer statischen Nachrechnung einer bestehenden
 vorgespannten Mehrfeldbrücke gezeigt.