
LIVING ON PLATFORMS – Staying with the Trouble
Durch die nach wie vor anhaltende COVID-19-Krise hat unser Leben auf Plattformen einen Zustand der Permanenz angenommen. Wir lernen, arbeiten, shoppen, genießen und kommunizieren beinahe ständig online. Der Bildschirm ist zur wichtigsten Schnittstelle zur Außenwelt geworden. Auch andere Krisen – Klimawandel, rassistische Gewalt, soziale Ungleichheit – sind nun von dauerhafter Gestalt. In dieser Entwicklung hat eine neue Kultur des Krisenmanagements die Oberhand gewonnen, die uns mit einfachen Rhetoriken der Resilienz und Effizienz für alles eine Lösung verspricht. Doch anstatt diese Versprechen eingelöst zu sehen, schwindet zunehmend unser institutionelles Vertrauen und es wird klar, dass viele Krisen auch Mittel zum Zweck sind, um die vorhandenen räumlichen, infrastrukturellen und sozialen Veränderungen zu kontrollieren und beschleunigen. Folglich ist eine Diskussion entbrannt, ob wir wirklich zu einem Zustand vor der Krise zurückkehren wollen oder uns nach Alternativen dazu sehnen. Wie würden solche Alternativen aussehen? Lassen sie sich unabhängig von der Erfahrung der gegenwärtigen Krise denken?
Ein solches Nachdenken erfordert, wie Donna Haraway in Staying with the Trouble argumentiert hat, Sym-Poiesis oder “Making-with” anstatt Auto-Poiesis oder “Self-Making” – ein Lernen, bei den Schwierigkeiten des Zusammenlebens zu bleiben. Im Kunstbereich macht der Drang zu kollektiven Arbeitsformen aktuell deutlich, wie gemeinsames Denken und gemeinsames Handeln zu neuen Möglichkeiten führen kann: Die vom indonesischen Künstler*innenkollektiv ruangrupa kuratierte documenta 15; die Projekte der fünf für den Turner Prize 2021 nominierten Kunstkollektive; oder auch die von Hashim Sarkis provozierte Auseinandersetzung der heurigen Architekturbiennale Venedig mit der Frage „How will we live together?“ – sie alle stellen Schauplätze des Experimentierens mit neuen Lebensformen dar und schlagen Architekturen eines „Making-with“ vor.
Im Modul Visuelle Kultur widmen wir uns jeden Montagnachmittag in einem virtuellen Salon (Vorträge, Gespräche, Präsentationen, Diskussionsrunden, Filmnachmittage, etc.) einem bestimmten Aspekt des anhaltenden „Plattform-Lebens“ und fragen nach den Konsequenzen dieser neuen Welt: was kommt und was verschwindet, wer profitiert und wer verliert, und was ist die Architektur des hier entstehenden Gefüges? Welche Alternativen können wir angesichts dieser Ausgangslage gemeinsam entwickeln?
Bestritten werden diese Nachmittage in wechselnder Folge von allen Lehrenden des Moduls sowie von eingeladenen Gästen. Die dabei vorgestellten Themen reichen von der Tradition des Plattform-Genres in Kunst, Literatur und Film bis zur Frage, wie wichtig physische Präsenz für die Anerkennung menschlicher Grundrechte ist. Diese Themennachmittage bilden den Ausgangspunkt für wöchentlich verfasste Episoden eines „visuellen Essays“, für das unterschiedliche architekturbezogene Methoden herangezogen werden können (Skizzen, Analysen, Beschreibungen, Fotocollagen, Videoarbeiten, Modellbauten, etc.). Der Episodencharakter dieser Essays soll uns erlauben, die komplexen und oft widersprüchlichen Charakteristika des „Lebens auf Plattformen“ auszuloten und im Ergründen der Architektur dieser neuen Lebenswelten mögliche Handlungsfelder zu skizzieren.
Das wöchentliche Kernprogramm wird nach Bedarf und Möglichkeit um eine Reihe anderer Formate ergänzt: virtual hangouts, crit sessions, physische Orte für kollektives Arbeiten, und vieles mehr; Lehrende und TutorInnen des Modulprogramms stehen zudem zur Verfügung, um die Entwicklung der Projektarbeiten zu begleiten und Feedback anzubieten; gemeinsam können im Laufe des Programms auch Vorschläge für weitere Plug-Ins in diese Lernstruktur entwickelt werden. Ein Arbeiten in Gruppen ist möglich.
Modul-Kernfächer
Gegenwartskultur
Kunst als Architekturkonzept
Visuelle Kultur der Stadt
Angewandte Kulturtheorie
Regime des Visuellen (Abhaltung in englischer Sprache!)
Modul-Ergänzungsfächer
Architekturen des Alltags
Neue Modelle von Kultur und Kunstproduktion
Termine
MO 17.00-19.00
Online via Zoom: Links zu den einzelnen Zoom-Terminen siehe TUWEL
(bzw. MO 14.00-20.00 Seminarraum AC0440)
04.10.2021
Einführung/Introduction
Peter Mörtenböck & Helge Mooshammer
11.10.2021
Plattform Stadt
Peter Mörtenböck & Helge Mooshammer
18.10.2021
Der Spiel-Raum im Film-Bild
Sigrid Hauser
25.10.2021
Das Gesicht verlieren. Im Boden versinken.
Zur visuellen Kultur der Scham (Teil 1)
Robert Pfaller
08.11.2021
tba
Peter Mörtenböck & Helge Mooshammer
Diskussion mit Gästen
17.11.2021 - Mittwoch
Film- und Buchpräsentation
Ernst Strouhal & Robert Pfaller
22.11.2021
Social Reproduction in Platform City: When Is It Love, When Is It Work?
Carmen Lael Hines
24.11.2021 - Mittwoch
Kreativität, Verfügbarkeit, Bewegung: Wohnen in der Plattform-Stadt, oder: “Der Scheiß, den sie soziale Fähigkeiten nennen, ist ein Algorithmus zum Umgang mit Antisozialität.”
Peter Mörtenböck
29.11.2021
Public Platforms
Vyjayanthi Rao / Spitzer School of Architecture, New York
in conversation with Peter Mörtenböck & Helge Mooshammer
01.12.2021 - Mittwoch
Sex and the City: An Introduction to Queer Geographies
Carmen Lael Hines
06.12.2021
Der Stadt-Raum im Film-Bild
Sigrid Hauser
13.12.2021
Swiping Cities: Dating Apps, Urbanism, and the Production of Sexuality in Digitally-Mediated Archi-Scapes
Carmen Lael Hines
10.01.2022
Das Gesicht verlieren. Im Boden versinken.
Zur visuellen Kultur der Scham (Teil 2)
Ernst Strouhal
17.01.2022
Final Presentation
Weitere Informationen zu den einzelnen LVAs auf den jeweiligen LVA-Einträgen in TISS
sowie auf https://visualculture.tuwien.ac.at
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Visuelle Kultur umfasst eine kritische Auseinandersetzung mit der Vielfalt an Formen und Praktiken, in denen Kultur entlang historischer, politischer, sozialer und ökonomischer Prozesse produziert, verhandelt und in Gebrauch genommen wird. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Materialisierungen dieser Prozesse spannt einen Bogen von einer Kritik zeitgenössischer Ästhetik, über eine Auseinandersetzung mit neuen Denkmodellen von Visualität und Raum, zu einer experimentellen Erkundung innovativer Formen der Kulturproduktion.
Entsprechend der globalen Perspektive von Visueller Kultur wird besonderes Augenmerk auf transdisziplinäre und interuniversitäre Zusammenarbeit gelegt; in Kooperation mit den Wiener Kunstuniversitäten und Forschungspartnern an internationalen Universitäten wird im Modul Visuelle Kultur Architektur für eine Vielfalt an Raumpraxen geöffnet: die Räume globaler Ökonomie, die Räume politischer Artikulation, die Räume kultureller Mobilität und Migration, und nicht zuletzt die Räume künstlerischer und kuratorischer Praxis.