Städtische Riesen sind faszinierend. Manche sind dominant und unterwerfen durch massige Präsenz ihre Umgebung. Andere entziehen sich durch ihre Selbstreferentialität dem Kontext. Klar ist aber: das Verhältnis von Großstrukturen - ob Architekturen oder Infrastrukturen - und Stadt folgt besonderen, anderen, eigenen Regeln.
Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion zu einem ressourcenschonenden „Recycling der Stadt“ und zur „Transformation des Bestands“ geraten zunehmend auch vakante oder untergenutzte Gebäuderiesen in den Blick.
Dazu zählen auch modernistische Großstrukturen der 1970er Jahre wie die Alte Wirtschaftsuniversität in Wien (1976-82) oder das Internationale Kongresszentrum in Berlin (1975-79). Der Geist der Zeit vom Glauben an unbegrenztes wirtschaftliches Wachstum und Fortschritt durch Technik, den diese Gebäude noch ausstrahlen, wirkt heute angesichts zunehmender Ressourcenknappheit anachronistisch. Zugleich steht Ihre Sanierungsbedürftigkeit außer Frage, ihre einstigen Nutzungen sind obsolet und neue Akteur:innen besetzen Leerräume, beanspruchen Mitsprache und übernehmen Verantwortung. Solch riesige Architekturen markieren heute oft schmerzliche Leerstellen im städtischen Gefüge, die aufgrund ihrer Größe eine destabilisierende Wirkung entfalten können. Mit ihrer Dimension haben sie aber eben auch enormes Potential, wesentlich zu Wandel und Transformation des städtischen Raumes beizutragen.
Höchste Zeit die Frage nach ihrer Rehabilitierung zu stellen: im Rahmen des Entwerfens werden Strategien zur räumlichen und programmatischen Reintegration von architektonischen Großformen – oft Leftovers vergangener Modernisierungsschübe – in ihr städtisches Umfeld thematisiert und entwickelt.
Untersuchungsgebiet ist eine „innere Randzone“ Wiens, die sich zwischen dem Franz-Josefs-Bahnhof, dem teilweise vakanten Universitätszentrum Althanstraße inklusive „Alte WU“ (Althanquartier) und dem Zielgebiet Muthgasse erstreckt. Diese Zone ist geprägt von Infrastrukturlinien mit übergeordneter Bedeutung (U-Bahn, S-Bahn, Franz-Josefs-Bahn, Donaukanal, etc.) und einer Reihe vakanter Strukturen mit hohem aber noch ungenutzten Entwicklungspotential für die Allgemeinheit: Alte WU, ehemalige Stadtbahnbögen, APA Hochhaus, etc.).
In der Lehrveranstaltung werden Nutzungsszenarien für leerstehende Groß- und Infrastrukturen im Sinne einer zukunftsfähigen reused city entwickelt. Besonderes Augenmerk liegt auf der Wechselwirkung zwischen nachgenutzter, reaktivierter bzw. reintegrierter Groß- bzw. Infrastruktur und dem unmittelbaren wie auch erweiterten und gesamtstädtischen Kontext,
Wir diskutieren das Verhältnis von Großstrukturen und öffentlichem Raum. Innen-, Zwischen- und Außenraum werden als potentielles Raumkontinuum thematisiert. Wir setzen uns mit ihrer Komplexität, ihrer Eigenlogik und ihrem Innenleben auseinander, betrachten ihre Ränder und Grenzen und Phänomene der Ab- und Anlagerungen von städtischen Funktionen.
Sind die Riesen besser als ihr Ruf? Wie lassen sie sich reparieren, umbauen, adaptieren? An wessen Bedürfnisse und für welche Stadtbewohner:innen?
Müssen wir sie anpassen, damit sie unserer Vorstellung dienen oder müssen wir uns ans sie anpassen? Was lernen wir hieraus über unsere Vorstellung von Stadt?
Zentral wird auch die Frage sein, welche Akteur:innen in ein Zukunftsszenario eingebunden werden sollten. Wie kann ein neues Gleichgewicht zwischen Privatinteressen und dem Gemeinwohl konzipiert werden? Welche Parameter müssen im Rahmen von Planung gesteuert werden, welche müssen für Aneignung offengehalten werden? Wie sieht ein zeitgemäßes Verhältnis von Kontrolle und Laissez-faire in der Stadtentwicklung aus? Was muss Top-down abgesichert und welche Prozesse können nur von den Stadtbewohner:innen selbst in Gang gebracht werden?