Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage..
die Potenziale und Komplexität der gebauten Umwelt zu erkennen, daraus richtungsweisende planerische Fragestellungen abzuleiten und diese Fragen durch die spezifische Ausformulierung eines konzeptuellen städtebaulichen, architektonischen Entwurfs zu beantworten. Stadt- und Raumproduktion soll anhand einer entwurfsorientieren Aufgabenstellung als ganzheitliche, transdisziplinäre Auseinandersetzung erfahren werden. Architektur und Städtebau sollen als kulturelle Praxis mit gesellschaftlicher Relevanz und als gestalterische Herausforderung einschließlich ihrer sozialen, ökonomischen, ökologischen und prozessualen Implikationen verstanden werden. Die Vermittlung adäquater Analyse-, Entwurfs- und Darstellungsmethoden und die Einführung in relevante Diskurse sind ein wesentlicher Teil der Lehrveranstaltung. .
Produktive Stadt – A Good City has Industry!
Die europäische Stadt war ursprünglich ein Sammelbecken unterschiedlichster Nutzungen: Arbeit aller Art, Gewerbe, Industrie, Handel, Leben und Vergnügen - all dies fand irgendwie Platz - parallel, hintereinander, übereinander als auch hybrid. Doch das dichte Nebeneinander unterschiedlicher Nutzungen kam an seine Grenzen. Denn die Zeit der Industrialisierung, wo Wohnen und Arbeiten engstens miteinander verwoben waren, führte zu starken gesundheitlichen Problemen und sozialen Konflikten. Infolge dessen wendeten sich die meisten industriell geprägten Städte wieder vom Ideal der Dichte ab. Ein Trend zur Entflechtung und Hinwendung zur funktionalistischen Trennung fand statt. Man wohnte von nun an in einem Wohngebiet, man erholte sich in einem Erholungsgebiet, die Produktion fand in einem Gewerbe- oder Industriegebiet außerhalb der Stadt statt. Um diese Enklaven miteinander zu verbinden, wurde der öffentliche Stadtraum überwiegend zum Verkehrsraum transformiert. Doch genau diese Trennung von Nutzungen und das Fehlen von gemeinschaftlichen und öffentlichen Räumen, fördert die Fragmentierung und Individualisierung der Gesellschaft. Denn gerade soziale Realerfahrungen – nämlich jeden Tag mit unterschiedlichen Menschen zu interagieren – sind die Grundvoraussetzungen für die Entwicklung eines demokratischen und solidarischen Grundverständnisses (Thomas Sieverts).
Der aktuelle Diskurs der produktiven Stadt wirkt diesen Entwicklungen entgegen und setzt sich für eine Rückkehr zu einem konstruktiven und lebendigen Neben- und Miteinander ein. Die Stadt der kurzen Wege ist ökologischer, mit einer steigenden Dichte sinkt der Landverbrauch pro Kopf und die Auslastung, sowie das Angebot von sozialer Infrastruktur und Kultureinrichtungen nimmt zu . Wenn dann auch noch Waren und Lebensmittel lokal produziert und gehandelt werden, führt das dazu, dass die Stadt wieder zu einem engmaschigen Netzwerk von Wohnen, Arbeiten, sozialem und kulturellem Leben wird. Diese Lebenswirklichkeit kann den diversen Herausforderungen unserer Zeit gezielt entgegenwirken.
Rotterdam – ein fruchtbarer Boden für Architekturexperimente
Um die Architekturlandschaft und das Stadtgefüge von Rotterdam zu verstehen, muss man seine Geschichte kennen: Rotterdam ist die zweitgrößte Stadt in den Niederlanden und beherbergt den größten Containerhafen Europas. Die im Rhein-Maas-Delta gelegene Hafenstadt hat Anfang des 20. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung als globaler Umschlagplatz für Güter erfahren. Im zweiten Weltkrieg wurde die florierende Stadt und Teile des Hafens bei einem Bombenangriff beinahe komplett zerstört. Das alte Rotterdam verschwand weitgehend und der Wiederaufbau nach dem Krieg stellt einen städtebaulichen Neubeginn für die Stadt dar: ganz im Sinne der modernen funktionsgetrennten Stadt, wurde Rotterdam in monofunktionale Wohn-, Arbeits- und Freizeitgebiete unterteilt. Das Stadtbild der Innenstadt weist bis heute kaum Reminiszenzen einer historisch gewachsenen europäischen Stadt auf. Rotterdam ist gewollt modern und ambitioniert und hat aufgrund seines historischen Kontextes und der großflächigen Rekonstruktion viel Platz für Architekturexperimente geboten. Mittlerweile hat sich Rotterdam auch deshalb, von seinem Industrieimage hin zu einer modernen Hafenstadt, emanzipiert. Die Stadt wächst und rechnet alleine in den nächsten 10 Jahren mit einem Bedarf von in etwa 50.000 Wohnungen. Doch nicht nur der Wohnbedarf steigt, sondern auch die Anforderungen an den Hafen und seine Industrie, welche sich immer mehr Richtung Westen und der Nordsee ausdehnt. Das hat zur vorteilhaften Folge, dass in Innenstadtnähe ehemalige Hafengebiete frei werden, die nun auch anderen Nutzungen zugeführt werden können.
Merwe-Vierhavens [M4H] – ein Stadthafen im Wandel
Merwe-Vierhavens, oder auch kurz M4H, ist einer dieser Stadthäfen in Rotterdam, dem ein großer Wandel bevorsteht und das Fokusgebiet dieser Lehrveranstaltung. Aktuell befinden sich noch einige Hafennutzungen im M4H-Areal, doch die Kreativwirtschaft, Zwischennutzungen, soziale Einrichtungen und auch F&E haben bereits ihren Weg in das Hafengelände gefunden und sich die leerstehenden Gebäude und Flächen angeeignet. Die städtebauliche Strategie der Stadt Rotterdam hat in den letzten Jahrzehnten eine komplette Umkehr vollzogen und verfolgt mittlerweile einen radikalen Nutzungsmix, anstatt einer Funktionstrennung. Das M4H-Areal soll nach und nach transformiert werden, wo der dort ansässigen Produktion und Hafenindustrie Raum gelassen wird, aber auch Wohnen, Freizeit, neue Formen des Arbeitens integriert und ermöglicht werden. Im Zuge der Lehrveranstaltung soll für ein Teilgebiet des M4H-Areals ein Masterplan entwickelt werden, der die Grenzen von Mischung unterschiedlicher Nutzungen auslotet und neue Typologien erprobt und erforscht. Die Stadt, die schon lange als Experimentierfeld für Architektur und Städtebau dient, ist der ideale Ort um ein neues Verständnis von Mischung, zeitgenössischer Formen von Wohnen und Arbeiten, des Erholens und des Produzierens zu entwickeln.
Die Lehrveranstaltung wird mit der Lehrveranstaltung “Going Dutch 010 – Bausteine der Interaktion” Cross-Over Workshops und Besprechungen angeboten, um den Studierenden die Möglichkeit zu bieten sich über die entstandene Recherche, Analyse und Entwurf untereinander auszutauschen.
Zusätzlich zum Betreuer:innen-Team wird es im Zuge der LVA auch Input von folgenden Expert:innen und lokalen Akteur:innen geben:
- Susann Ahn – Forschungsbereich Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung, TU Wien
- Markus Appenzeller – MLA+ / Academie van Bouwkunst Amsterdam
- Annette Matthiessen – Stadt Rotterdam
- Marthe van Gils – Veldacademie
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Exkursionsprogramm GOING DUTCH – ROTTERDAM + AMSTERDAM
Start: Sonntag: 23.10.2022 14:00 (M4H Gelände in Rotterdam)
Ende: Freitag 28.10.2022 18:00 Uhr
- Montag Tagesexkursion nach Amsterdam, an allen restlichen Tage findet das Programm in Rotterdam statt.
- Anreise + Unterkunft sind selbständig zu organisieren
- zusätzlich sind mit ca. 60€ extra kosten für Gruppenführungen und Eintritte zu rechnen
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Beide GOING DUTCH-Entwerfen sind auch offen für Studierende der Raumplanung (jeweils 3 Studierende pro Entwerfen).
Anmeldung:
mit Portfolio per Mail bis 29.09.2022
an almar.ruiter@tuwien.ac.at
Anrechnung:
Kleines Entwerfen (5 ECTS)
= RPL Studierende müssen zwei 5 ECTS Entwerfen absolvieren, und können es dann als Masterprojekt RPL verwenden
Großes Entwerfen (10 ECTS)
= Pflichtmodul 3: Masterprojekt Raumplanung (12 ECTS)
(Die fehlenden 2,0 ECTS können durch thematisch geeignete Lehrveranstaltungen aus dem Angebotd er Kern- und Ergänzungsfächer der Wahlmodule des Masterstudiums Raumplanung und Raumordnung oder des Masterstudiums Architektur ergänzt
werden)