Das Entwerfen widmet sich einer der großen Fragen der Architektur: der Rolle von Architektur in politischen Entwicklungen. Jüngste Ereignisse vor Ort in Wien, wie beispielsweise „Hypotopia – Die Milliardenstadt am Karlsplatz“, aber auch auf der internationalen Bühne, wie „Occupy Wall Street“, zeigen ein bestehendes Interesse bezüglich der Art und Weise wie Architektur und Architekturtheorie ihren Beitrag zu gegenwärtigen (städtischen) politischen und finanziellen Problemen leisten können. Auf dem ersten Blick scheint das mit einer Definition von Architektur als Kunst, als kreativem Ausdruck, nicht übereinzustimmen, sondern eher einer Definition von Architektur als Teil des sozialen Umfelds zu entsprechen, eines Umfelds, das Menschen für ihre Handlungen und Interaktionen verwenden, und zwar vor dem Hintergrund der bestehenden politischen und finanziellen Entwicklungen. Während der Analyse des Entwerfens werden wir uns diesem scheinbaren Missverhältnisses widmen und mögliche architektonische Strategien, die der Lösung politischer finanzieller Ungleichheiten dienen, kritisch debattieren. Das wird unsere Entwürfe anregen aber auch unser Verständnis darüber was Architektur überhaupt bedeuten kann.

Das Thema dieses Entwerfens ist weder das Bespielen eines spezifischen Bauplatzes noch das Erfüllen der Kriterien eines gegebenen architektonischen Programms. Wir werden von einer neueren Entwicklung in der Architekturausbildung ausgehen, die „Midwest Mafia of Architecture“ tituliert wird. Es wird behauptet, dass die Zusammenarbeit zwischen vier nordamerikanischen Architekturschulen, die hinter dieser Mafiarchitektur steht, zeigt, dass „Architektur nicht mehr mit dem Reißbrett und seinem Papier verbunden ist – mit Grundrissen und Schnitten – dafür mittels Fernsehsehkomödien und Kaufhauskatalogen im Stil von Sears ‚repräsentiert’ werden kann“. (Matt Shaw für Domus, 19.01.2013) In diesem Sinne ist nicht nur das letztgültige materielle Ding sondern jeder Schritt des Entwurfs- und Produktionsprozesses für die Massen erreichbar. Wir werden uns diese Mafioso-Strategien nicht nur vor Ort in den Schulen während einer Exkursion in die Vereinigten Staaten ansehen - deren Besuch parallel zum Entwerfen empfohlen wird (LVA 251.045) - sondern diese Strategien auch dazu nutzen, architektonische Formen und Medien zu finden, die eventuell in der Lage sind die politischen und finanziellen Ungleichheiten zu adressieren, die wir im Theorieteil des Entwerfens debattieren. Eure Projekte werden diese Strategien verwenden, architektonische Annäherungen an ein Thema eurer Wahl zu bewirken, wobei die Themen von einer Liste ausgesucht werden können, die beispielsweise (städtische) Verdichtung, Zugänglichkeit, Gentrifikation und Segregation, sowie Zwischennutzungen von (gebautem) Raum, um nur einige zu nennen, umfasst.

Erstes Treffen: 05.03.2015, Seminarraum Architekturtheorie