Das Ausmaß mit dem das Auto die Städte verändert hat, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Leben und Landschaft wurden und werden, ausgehend von den führenden Industrienationen, global motorisiert. Es ist davon auszugehen, dass eine ähnlich kraftvolle Veränderung wieder passieren kann.
Für Europa beginnt sich abzuzeichnen, dass die individuelle Mobilität nicht mehr an das bekannte Ideal des vorigen Jahrhunderts gebunden ist, sondern Alternativen vorstellbar werden, deren Auswirkungen Stadtplaner und Architekten mitgestalten sollten. Carsharing und Agenturkonzepte des Autovertriebs sind umgesetzt und warten darauf intensiver genutzt zu werden. Diese Entwicklungen verdichten sich in der Technologie selbstgesteuerter, autonomer Fahrzeuge. Wie verhalten wir uns in einer Stadt, in der die Fläche parkender Autos frei wird? Darf man über Gegenstücke zu Shopping Mall und Vorstadt spekulieren? Die Antwort, die wir gemeinsam mit den Studierenden geben möchten ist, Man darf, Man muss – gerade an Universitäten.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung setzen wir den Fluchtpunkt der Szenarien, die wir entwickeln, mit dem autonomen Fahrzeug. Wir schaffen und fassen so den gedanklichen Spielraum, den es braucht, um informiert zu spekulieren. Und das ist nicht bloß Utopie. Alle großen Akteure der Automobilbranche und einige spezialisierte IT-Unternehmen arbeiten dran selbstgesteuerte, autonome Fahrzeuge in die Serienreife zu überführen. Litman (2013) und Eno (2013) gehen davon aus, dass 2025 bis 2030 etwa 30 Prozent der stetig steigenden Neuzulassungen wenigstens die Möglichkeit haben, auch autonom fahren zu können. Auch die rechtliche Basis dafür wird geschaffen. In den Vereinigten Staaten haben nun sechs Bundesstaaten die Voraussetzungen geschaffen autonome Fahrzeuge in den Verkehr zu integrieren. Großbritannien hat 2013 autonome Fahrzeuge zu Testzwecken für den Straßenverkehr freigegeben. Auch wenn die Frage nach der Akzeptanz einer solchen Technologie offen bleiben muss, möchten wir jetzt in Architektur und Raumplanung die Basis für eine fundierte Diskussion schaffen. Wesentlich wird auch sein, alle Szenarien kritisch zu entwickeln. Es ist davon auszugehen, dass Themen der Privatheit, der Überwachung und Kontrolle maßgeblich teilhaben werden.
In diesem Entwurfs/Projekt-Studio werden Studierende gemeinsam mit einem Team an Vortagenden und externen Experten daran arbeiten mögliche Auswirkung der Technologie des autonom fahrenden PKW auf die Siedlungsstruktur zu untersuchen. Ausgehend von einem ersten Szenario wird das ganze Semester daran gefeilt ein möglichst komplettes und zusammenhängendes Gefüge zu erstellen. Die erste Idee wird immer weiter geschärft, sodass sie realistisch erscheint.
„Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge,“ behauptet Ludwig Wittgenstein. Stimmen wir dem zu, dann ist Stadt nicht eine Sammlung von Dingen, von Gebäuden und Straßen, sondern die Summe der Fakten. Urbane Fakten können viele Formen annehmen – bestehende materielle Bedingungen; entstandene soziale Konventionen; durch Gesetze festgeschriebene gemeinschaftliche Normen. Auf der Basis von Wittgensteins Aussage lassen sich auch Szenarien entwerfen. Wir betrachten die Stadt als holistische und historisch geformte Menge – vom Maßstab des einzelnen Hauses, zur Nachbarschaft, bis zu regionalen Raumplanung.