Nach positiver Absolvierung der Lehrveranstaltung sind Studierende in der Lage architektonische Lösungen in ihrer Vielschichtigkeit von räumlichen, kulturellen, konstruktiven, bauphysikalischen und atmosphärischen Bedingungen heraus zu entwickeln. Sie können konzeptuelle Vorgaben in Beziehung mit räumlichen Prinzipien stellen und diese in architektonischen Entwürfen ausformulieren.
Durch eigenständige Recherchen können die Studierenden zudem bestehende Strukturen architektonisch und planerisch erfassen und diese als Grundlage für die Entwicklung von konzeptuellen und räumlichen Lösungen nutzen. Sie können Wechselbeziehungen zwischen dem einzelnen Bauwerk sowie den städtebaulichen und landschaftlichen Raumkörper aufstellen und durch dokumentarische Analysen nachvollziehen.
Sie sind in der Lage aufbauend auf den eigenen Recherchen und Konzepten Entwurfsprojekte in Plan, Bild, Modell und Text zu erstellen, zu diskutieren und umfassend zu präsentieren.
Die von der Gemeinde Wien in den Zwischenkriegsjahren erbauten Wohnblöcke wie der Karl-Marx-Hof prägen bis heute die räumliche Wahrnehmung der Stadt. Sie sind großmaßstäblich, zu ihren Höfen hin orientiert und funktionieren mit ihren landschaftlichen Innenwelten als unabhängig organisierte Artefakte innerhalb der Stadtmorphologie.
Die Wohnblöcke lassen sich entlang der Untersuchungen von Oswald Mathias Ungers als Wiener Superblocks und Städte in der Stadt lesen, die wie Inseln einen Stadtarchipel bilden. Diese Stadtidee hat ihre Anfänge in der Renaissance und der Wiederentdeckung des antiken Rom. In Kartierungen wie Piranesis berühmter Pianta di Roma aus dem 18. Jahrhundert wird die Stadt als Archipel signifikanter Kunstwerke dargestellt, die sich vereinzelt und losgelöst in der urbanen Landschaft verstreuen.
Im 20. Jahrhundert finden diese Gedanken mit den Situationisten um Guy Debord 1957 ihre Fortführung und Ergänzung. Im Guide Psychogéographique de Paris ist der Stadtkörper in kompakte und abgeschlossene Einheiten aufgelöst, die durch subjektive Bewegungspfeile miteinander in loser Verbindung stehen. Ähnlich einer Ausstellung wird die Stadt hier zu einer Sammlung einzelner Situationen, zu einer musealen Landschaft kartiert.
Der Karl-Marx-Hof als ikonisches Exponat Wiens wird ausgehend von seiner städtischen Inszenierung im Übergang des denkmalgeschützten Bahnhofs Heiligenstadt und des Vorplatzes entlang der Boschstraße sowie in Beziehung mit der berühmten Frontfassade am 12.-Februar-Platz als Ausstellungsstück in der Stadt betrachtet und räumlich analysiert.
Der Wohnhof ist zugleich aktiver Wohn- und Lebensraum im 19. Wiener Gemeindebezirk. In dieser Eigenschaft gilt es, den Superblock als Ort der Nachbarschaft zu aktualisieren, in dem neue Räume für zeitgenössische Kunst und Kultur vor dem Hintergrund der historischen Bedeutung entstehen. So wird das Exponat Karl-Marx-Hof zugleich Display zeitgenössischer Kultur.
Durch eine Intervention im und um den Waschsalon an der Halteraugasse ist an Stelle der bestehenden Ausstellung ein Ort für zeitgenössische Kunst und Kultur zu schaffen. Dabei ist eine Strategie des Umganges mit dem Bestand, seiner Umfunktionierung und einer möglichen Erweiterung zu finden. Der Wohnhof mit dem direkt angeschlossenen Kindergarten spielt als Alltagsraum der Bewohner eine entscheidende Rolle.
Der neue Waschsalon ist als lebendiger Ort zeitgenössischer Kunsterfahrung im Wohnhof zu denken und bildet einen Raum, an dem sich individueller Wohnalltag mit kollektiver, kultureller Auseinandersetzung überlagert.
Der Karl-Marx-Hof als Exponat des Wiener Wohnens soll dabei mit zeitgenössischem Blick betrachtet und in seiner Bedeutung in der Stadt und ihrer heutigen Bewohnung inhaltlich integriert werden.
Als Integrativer Entwurf basiert die Lehrveranstaltung auf der Auseinandersetzung mit der Architektur als zugleich räumlichem, kulturellem, sozialem, konstruktivem und bauphysikalisch-ökologischem Phänomen. Das Hauptaugenmerk der Konzeption ist der Entwurf im Umgang mit der bestehenden Struktur, sowie seiner Anwendung als zeitgenössische Ausstellungstypologie.
Ausgehend von einer umfangreichen Bestandsanalyse wird Architektur als Prozess verstanden, der morphologisch-typologische Kontexte sowie gesellschaftliche Strukturen ergründet und transformiert. Durch die Beschäftigung mit unterschiedlichen Maßstäben, von der Stadtmorphologie, über die Komposition konkreter Baukörper, bis hin zur Materialisierung und Konstruktionsentwicklung im Detail und im Hinblick auf ein sinnhaftes Weiterbauen im Bestand wird Architektur als vielschichtige Disziplin in allen Dimensionen verstanden und eingesetzt.
Im Integrativen Entwurf gilt grundsätzlich Einzelarbeit. Eine Gruppenarbeit ist aber dennoch möglich, sofern mindestens 1 Projekt pro Person in der Gruppe erarbeitet wird. So können unterschiedliche Positionen und Thesen zur gestellten Aufgabe gemeinsam entwickelt werden, die als Projekte untereinander in Synergien, Dialogen oder Kontrasten münden.
Betreuungstermine sind grundsätzlich am Donnerstag von 09:00 bis 15:00 Uhr.
Sondertermine: Konzeptpräsentation am 03. und 04. November, Entwurfspräsentation am 01. und 02. Dezember, Endpräsentation am 09. und 10. Februar.
Zusätzlich sind zwei Workshop-Wochen zum intensiven Arbeiten in gemeinsamer Arbeitsraumatmosphäre eingeplant, da der Austausch mit den KollegInnen durch gemeinsames Arbeiten vor Ort gefördert werden soll. Eine möglichst durchgehende Anwesenheit in diesen Wochen wird erwartet.
WORKSHOP: 10.10 - 14.10*** AUSTAUSCH UND DISKUSSIONEN MIT BERWOHNER*INNEN DIREKT VOR OT IN EVENT-RÄUMLICHKEITEN DES KARL-MARX-HOFES ***
WORKSHOP: 12.12 -16.12AUSTAUSCH AN DER TU MIT KOLLEGI*NNEN DER ENTWERFEN GREEN MUSEUM FISCHER VON ERLACH und KUNSTHALLE IN DER RICHTERSCHULE
KICK-OFF mit anschließender Bauplatzbesichtigung am 06. Oktober ab 10:00 Uhr im HS 7 Schütte-Lihotzky.
Link zum Vorstellungsvideo:https://tube1.it.tuwien.ac.at/w/qBQ7v8m4uvHu2Pras6fy64
Grundlagenerforschung der bestehenden räumlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Prinzipien. Analysen von typologischen, kulturellen, konstruktiven, bauphysikalischen, räumlichen und atmosphärischen Aspekten. Grundlagenforschung zu Aspekten der Museologie in der Architektur. Nachweis der Forschungen mittels eines durchgehend geführten Logbuchs.
Planerische, textliche und grafische Umsetzung eines darauffolgenden Konzeptes und Entwurfes in den unterschiedlichen Maßstäben. Lagepläne, Grundrisse, Schnitte, Ansichten, Fassadenschnitte, Details, räumliche Prinzipdarstellungen, Perspektiven, Modelle.
Der Integrative Teil des Entwerfens ist im Projekt durch die Auseinandersetzung mit der Architektur und den Konzeptionen des Ausstellens, als auch durch die Integrierung konstruktiver und bauphysikalischer Lösungen in allen Projektphasen nachzuweisen.