Anhand eines jährlich wechselnden Themenschwerpunktes aus dem Bereich der Kunst- und Architekturgeschichte sollen die Studierenden wissenschaftliche Texte inklusive einer abschließenden Seminararbeit verfassen. Im Rahmen des Seminars werden grundlegende wissenschaftliche Arbeitsweisen und Ansätze zur methodischen und inhaltlichen Strukturierung der Arbeit vermittelt.
Das Wahlseminar Kunstgeschichte steht im Wintersemester 2023/24 unter dem Thema:
ANSICHTSSACHE(N): ZEICHNUNG – FOTO – TEXT
Und widmet sich Aspekten der medialen Präsentations-, Anpreisungs- und Vermittlungsstrategien der Architektur im 19. und 20. Jahrhundert.
Das Wahlseminar Kunstgeschichte thematisiert im kommenden Wintersemester die (Re)Präsentation und Dokumentation von Architektur und Stadt in den Medien Architekturzeichnung, -fotografie und Text. Unter dem Titel „Ansichtssache(n)“ richten wir den Blick auf eine facettenreiche Auswahl historischer Darstellungen und Texte und fragen nach dem jeweiligen Entstehungskontext, etwaigen Vorbildern und der Rezeptionsgeschichte sowie nach den zugrundeliegenden darstellerischen Ideen, technischen Voraussetzungen und gedanklichen Konzepten. Im Zentrum werden dabei sowohl die zu behandelnden Werke selbst sowie die dargestellten oder beschriebenen Architekturen als auch die verantwortlichen Architekt*innen, Zeichner*innen oder Fotograf*innen stehen.
Eine spontane Suche nach den Begriffen Architekturzeichnung oder -fotografie auf einschlägigen Plattformen wie etwa ArchDaily, Archinect, Architectsjournal, Behance oder Pinterest, unterstreicht, dass qualitätvolle und süffige Darstellungen von architektonischen und städtebaulichen Entwürfen, Gegebenheiten oder gar utopischen Konzepten und Fantasieentwürfen aus aktuellen visuellen Medien nicht mehr wegzudenken sind. Projekte, die sich verkaufen sollen, sind darauf angewiesen, bildlich (re)präsentiert zu werden, sei es als (fotorealistisches) Rendering des Entwurfs oder als aufgehübschtes Foto des gebauten Ergebnisses.
In der Architekturgeschichte stellen bildliche und textliche Medien zentrale Mittel der verständlichen und nachvollziehbaren Aus- und Abbildung von Entwurfsgedanken dar – zugleich verschaffen sie uns als Quellen einen Einblick in den jeweiligen Zeitgeist, die vorherrschende Mode und aufkeimende Innovationen. Zudem liegen diesen Werken verschiedenste Motivationen, Absichten, Strategien und künstlerische Praktiken zugrunde. Gleichzeitig lassen sich unterschiedliche Bedürfnisse und Beweggründe, nicht nur einzelne Architekturen sondern auch die Stadt als zusammenhängende räumliche, architektonische und gesellschaftliche Struktur abzubilden, beobachten.
Am Beginn der Fotografie stand die Architektur; Fotografien traten nicht nur an die Stelle der bis dahin verbreiteten Druckgrafik, sondern revolutionierten durch ihre glaubwürdige und unmittelbare Anschaulichkeit die Verwendung bildlicher Dokumente. Ein Abgleich mit rezenten Architekturvisualisierungen aber auch mit anderen historischen Blättern, die über zahlreiche Online-Sammlungen und -Archive abrufbar sind, verdeutlicht wiederum, wie zeitlos viele der in den im Seminar behandelten Architekturdarstellungen angewendeten visuellen Strategien sind. Die Gegenüberstellung von Architekturzeichnung und -fotografie zeigt außerdem, wie engmaschig verflochten sie miteinander, aber auch mit benachbarten Disziplinen, wie der Malerei, sind.
Während Darstellungsweisen weitgehend Schwankungen des zeitgenössischen Geschmacks oder einer Gestaltungsvorgabe unterliegen, die etwa die jeweilige Handschrift eines Architekturbüros zur Geltung bringen soll, oder auch um durch Narrative bestimmte Assoziationen zu evozieren, sind die ihnen zugrundeliegenden Kompositions- und Darstellungskonzepte in den meisten Fällen seit ihrer ursprünglichen „Entdeckung“ nahezu dauerhaft aktuell.
Regelmäßig stattfindende internationale Wettbewerbe im Bereich der Architekturzeichnung und -fotografie zeigen, dass Atmosphäre vermittelnder Architekturdarstellung eine vom Architekturdiskurs beinahe freigespielte Bedeutung innewohnt, sie eine über den Entwurfsprozess hinausgehende Gültigkeit, und durch ihre Zugänglichkeit einen gesellschaftlich breit verankerten Stellenwert besitzen.
Schon Vitruv sprach sich dafür aus, dass ein Architekt „begabt sein und fähig und bereit zu wissenschaftlich-theoretischer Schulung [sein muss]. Denn weder kann Begabung ohne Schulung noch Schulung ohne Begabung einen vollendeten Meister hervorbringen. Und er muss im schriftlichen Ausdruck gewandt sein, des Zeichenstiftes kundig, in der Geometrie ausgebildet sein, mancherlei geschichtliche Ereignisse kennen […].”(1) Vitruv argumentierte: „Schreibgewandt muss der Architekt sein, damit der durch schriftliche Erläuterungen (zu seinem Werk) ein dauerndes Andenken begründen kann.“ Adolf Loos ging noch einen Schritt weiter, indem er über architektonische Konzepte schrieb, die sich wie Rezepte lesen und umsetzen lassen, als er 1924 feststellte: „Ich brauche Entwürfe überhaupt nicht zu zeichnen. Eine gute Architektur, wie etwas zu bauen ist, kann niedergeschrieben werden. Das Parthenon kann man niederschreiben.“(2)
Die den Entwurf bestimmenden Gedankengänge und Ideen im Sinne einer Absichtserklärung grob und knapp zu verschriftlichen, oder eine ausführliche Beschreibung des Projekts zu verfassen, kann sich als tonangebendes Instrument herausstellen, das den Entwurf vorantreiben kann. Aufsätze und Essays wie auch bildbegleitende Erläuterungen und Erörterungen spielen eine zentrale Rolle für den architektonischen Diskurs, für die Vermittlung und Verbreitung von Ideen, Konzepten, Gedankenmodellen oder auch ganzen Lehrgebäuden – oder wie Fritz Neumeyer es ausdrückte: „Architekturtheorie manifestiert das in schriftlichen Zeugnissen niedergelegte, systematische Nachdenken über das Bauen.“(3)
Gemeinsam werden wir uns im kommenden Semester einen schlaglichtartigen Überblick über verschiedene mediale Praktiken im Spannungsfeld zwischen dokumentierender, (re)präsentierender und manipulativer räumlicher Darstellung in Architekturzeichnung und -fotografie wie auch der textlichen Verbreitung von Ideen und Konzepten in der Fachliteratur, in Zeitschriften und Aufsätzen bewegen. Wir werden zeitgebundene, zeitgenössische und gegebenenfalls zeitlose Aspekte der Architekturdarstellung identifizieren, benennen und beschreiben sowie Strategien der Vermittlung in Praxis, Theorie und Lehre nachgehen, wie auch die Verbreitung über gedruckte Medien nachvollziehen und kontextualisieren. Dabei dienen uns die behandelten Bilder und Werke als aussagekräftige und aufschlussreiche Quellen. Durch deren Beschreibung und Analyse und unter Einbeziehung des jeweiligen Entstehungskontextes werden wir den jeweiligen Inhalt mit den fachlich korrekten Termini benennen, die dahinterstehende Intention erörtern sowie in gemeinsamen Diskussionen Schnittmengen herausarbeiten.
(1) Vitruv: Zehn Bücher über Architektur, übers. von Curt Fensterbusch, Darmstadt 1964, S. 23–25.
(2) Adolf Loos: Von der Sparsamkeit, in: Adolf Opel (Hg.): Adolf Loos. Gesammelte Schriften, Wien 2010, S. 604–616, hier: S. 610.
(3) Fritz Neumeyer: Architekturtheorie, in: Wolfgang Sonne (Hg.): Die Medien der Architektur, Berlin/München 2011, S. 231–243, hier: S. 231.
Die Anmeldung zum Wahlseminar wird zentral vom Dekanat eingerichtet.
ORT: Seminarraum 257 (TU-Hauptgebäude, Forschungsbereich Denkmalpflege, Stiege 3, 2. Stock)
TERMINE: jeweils freitags, 14:00–16:00 Uhr mit vereinzelten Doppeleinheiten bis 18:00 Uhr
06.10.2023 Auftakt: Einführung & Themenvorstellung
07.10.2023 Anmeldung zu den Referatsthemen ab 19:00 Uhr via TUWEL
13.10.2023 Diskurs I / Wissenschaftliches Arbeiten I
20.10.2023 Diskurs II / Wissenschaftliches Arbeiten II
10.11.2023 Diskurs III / Wissenschaftliches Arbeiten III
24.11.2023 Referate und Themeneinheit 1 (bis 18:00 Uhr)
01.12.2023 Referate und Themeneinheit 2 (bis 18:00 Uhr)
15.12.2023 Referate und Themeneinheit 3 (bis 18:00 Uhr)
12.01.2024 Abschlusseinheit
19.01.2024 Puffertermin
01.03.2024 Abgabe der Seminararbeit
Beachten Sie beim Verfassen der Ausarbeitung bitte die Richtlinie der TU Wien zum Umgang mit Plagiaten:
Leitfaden zum Umgang mit Plagiaten (PDF)